Polnische Studenten forderten die Anwesenden auf: „Denken Sie an
Polen und schreiben Sie ganz spontan drei Gedanken auf.“
Sofort fiel mir ein: gestohlene Autos, katholischer Glaube und polnische
Wirtschaft. In der Auswertung traute ich mich nicht, meine Spontaneinfälle zu
äußern, da ich mich schämte. Es handelt sich hier um klassische Vorurteile und
Stereotype.
DIE FALSCHE WAHRHEIT
Jetzt nehmen wir mal an, eine negative Beurteilung oder Einschätzung
über Sie kursiert in Ihrem Freundeskreis. Ohne Ihr Wissen wird die falsche
Wahrheit an andere unbekannte Personen weitergegeben. Sie sind machtlos und
werden abgeurteilt, also „schachmatt“ gesetzt. Es gibt keine Aussicht, sich zu
rechtfertigen, denn Sie wissen ja nicht, wer negativ über Sie spricht. Das kann
psychisch ganz schön aufreibend sein und unzufrieden machen. Ja, so grausam
können Vorurteile sein.
Wir sollten vorsichtig bei Meinungen aus ungesicherten Quellen
sein. Fehlmeinungen, falsche Darstellungen oder Urteile geben wir ohne
nachzufragen weiter. Sie werden als wirklich und wahr angesehen.
Dazu gehören derartige verallgemeinernden Aussagen, wie „Frauen
mit Kopftüchern, die werden von ihren Männern zum Kopftuchtragen gezwungen. Die
Deutschen sind pünktlich und ordentlich. Der Chef hat immer Recht. Die
Engländer trinken Unmengen Alkohol. Franzosen sind die besseren Liebhaber. Die
Amerikaner sind oberflächlich.“
WAS SIND VORURTEILE UND WIE WIRKEN SIE?
Jemand urteilt bereits, bevor er sich ein begründetes Urteil
bilden kann, und wir stimmen ohne nachzudenken zu. Wird aus dem Urteil ein
Vorurteil, lassen wir zu, dass andere uns Ihre Urteile aufzwingen, einreden,
oder wir übernehmen diese einfach. Wie dies bei mir geschah: Ganz spontan übernahm
und verallgemeinerte ich fremde Ansichten. Ohne zu überprüfen be-urteilte,
ver-urteilte und vor-verurteilte ich. Sie stimmen mir bestimmt zu:
Vorurteile
• sind stabil
und können sich lange halten.
• erleben wir
manchmal als positiv, meistens aber als negativ.
• zeigen
unsere Einstellungen gegenüber Kulturen oder Personen.
• beruhen
nicht immer auf unseren eigenen Erfahrungen.
• übernehmen
wir manchmal leichtfertig und geben sie weiter.
VIER EINFACHE SCHRITTE, DIE HELFEN, VORURTEILE ZU ENTLARVEN
Nehmen wir das weit verbreitete Vorurteil:
„Menschen mit einer dunklen Hautfarbe sind Afrikaner.“
Wie kommen wir dahinter, ob es stimmt? Dabei hilft es, einen
kleinen Dialog mit uns selbst zu führen. Natürlich können Sie bei anderen
Personen auch so vorgehen.
SCHRITT 1: ALLGEMEINGÜLTIGKEIT DER AUSSAGE PRÜFEN
Beginnen wir damit, zu überprüfen, ob diese Aussage allgemeine
Gültigkeit besitzt.
Frage: Wie viele Menschen aus Afrika kenne ich?
Ich: So ungefähr 10 bis 15 Personen.
Frage: Und wie viele Menschen mit einer dunklen Hautfarbe gibt
es?
Ich: Wahrscheinlich viele Millionen.
Frage: Nur weil 10 bis 15 dunkelhäutige Menschen aus Afrika
kommen, kommen die anderen Millionen Menschen ebenso aus Afrika? Ist das
logisch, vernünftig und realistisch?
Ich: Nein, ist es nicht. Ich kann es ja gar nicht wissen.
SCHRITT 2: GLAUBWÜRDIGKEIT DER QUELLEN PRÜFEN
Nun prüfen wir die Glaubwürdigkeit unserer Quellen, von denen wir
diese Aussage übernommen haben:
Frage: Von wem weiß ich eigentlich, dass sie Afrikaner sind?
Ich: Mein Vater sagte, Menschen mit einer dunklen Hautfarbe sind
Afrikaner.
Frage: Und wie viele afrikanische Menschen kannte der Vater? War
das ein Vorurteil?
Ich: Er war nie in Afrika und kannte nicht so viele Leute. Nein,
er konnte es wahrscheinlich nicht wissen. Da tippe ich schon auf ein Vorurteil.
Frage: Und wo habe ich das noch her?
Ich: Das sieht man doch jeden Tag im Fernsehen.
Frage: Und wie glaubwürdig sind diese Quellen? Zeigen Berichte,
Filme oder Nachrichten die volle Wahrheit?
Ich: Naja, die Medien zeigen oft nur die spektakuläre,
sensationelle Seite. Um sich daraus eine realistische Meinung zu bilden, sind
sie nicht geeignet.
SCHRITT 3: EINFLUSS DES VORURTEILS AUF DAS EIGENE LEBEN PRÜFEN
Jetzt hinterfragen wir den Einfluss des Vorurteils auf unser
Leben. Handeln wir gewohnheitsmäßig (bewusst und unterbewusst) ausgehend von
diesem Vorurteil?
Frage: Welchen Einfluss hat das Vorurteil auf das eigene Leben?
Macht es glücklich? Hilft es im Leben?
Ich: Wenn ich darüber nachdenke, hat es die folgenden
Auswirkungen:
• Übernehmen
und nicht hinterfragen
• Unbewusst
stecke ich Menschen in eine Schublade
• Damit ordne
ich Menschen falsch ein und verhindere sogar eine Kommunikation.
• Es macht
nicht glücklich, jedoch das Leben einfacher.
• Wenn das
Urteil nicht stimmt, kann es nicht helfen.
SCHRITT 4: VORURTEILE LOSLASSEN
Sind wir von diesem Vorurteil abhängig und bestimmt es unser
Leben? Auf welche Auswirkungen können wir uns einstellen?
Frage: Wie wäre es, dieses Denken einfach fallen zu lassen? Was
ändert sich?
Ich: Kein Problem, ich kann auf die von Unbekannten
vorgefertigte Meinung verzichten und vermisse sie nicht. Das hat viele
Auswirkungen:
• Ich gebe
mir selbst die Chance, Menschen besser kennenzulernen.
• Die andere
Sicht führt mich zu einer besseren Wahrnehmung.
• Ich erkenne
Besonderheiten leichter.
• Ich
verhindere eine gedankliche Einschränkung und bin offen.
FAZIT
Vorurteile spielen eine große Rolle in unserem Leben. Welche
Wirksamkeit Sie zulassen, liegt ganz bei Ihnen. Fühlen Sie sich als Kommissar
und ermitteln Sie die Wahrheit Ihrer Vorurteile. Um Klarheit zu erhalten,
hinterfragen Sie sich selbst.
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