Freitag, 1. Januar 2016

Wie alles begann

Auf der kilometerweiten holprigen Rückfahrt von einer typisch russischen Schaschlikparty mit viel Wodka saßen wir zu Viert in einem kleinen russischen Auto. Der 30jährige Russe Igor, die blonde langhaarige schöne Russin Elena, Tamara eine muslimische Kasachin  mit Kopftuch und ich. Die Kasachin war am Steuer.

Auf meine Frage: Was bedeutet dieses Schild an der Frontscheibe? entwickelte sich folgender Dialog:



Tamara antwortet kurz und bündig: „TÜV”.
Igor kommentiert: Glaubst du, dass diese alte Kutsche den Sicherheitscheck übersteht?
Ich: „Net“  und frage: Wie kommt man zu so einen Schein?
Elena:  Gekauft.
Ich: Du meinst zuerst die Kfz-Untersuchung und danach bezahlt.
Egor: Net, gekauft. Du kannst alles in Russland mit Geld kaufen.
Ich: Ja und was?
Egor: Natürlich eine Fahrerlaubnis. Brauchst du einen Doktortitel? Kann ich dir in den diversen U-Bahngängen besorgen. Kostet drei Tausend Dollars für den einfachen Nachweis. Einen Abschluss mit allen Papieren kosten fünf Tausend Dollars mehr. Strafzettel oder andere Vergehen können ebenso mit Geld in den Papierkorb landen.


Danach wurde es still. Die unendliche Fahrt über steinige Feldwege versetzte mein Gehirn in Schwung. Endlich fand ich die Begründung, warum in Jekatarinenburg von wirklich sehr vielen Autofahrern die Vorfahrt nicht beachtet wird und eine rücksichtslose Fahrweise vorherrscht. Hmm, die haben alle die Fahrerlaubnis  gekauft.

Und dann kam der nächste Morgen. Eine Besprechung in der regionalen Verwaltung mit über 20 Personen. Ich war als Kurzzeitexpertin für Vernetzung verschiedener kultureller Minderheiten im Swerdlosker Gebiet eingesetzt. Jeder stellte sich kurz vor: Dr. Akadi, Dr. Dr. Petrowitsch, Prof. Dr. Alexandroswki und die akademischen Titel saßen aneinander gereiht im dunkelroten Besprechungssaal.

In meinem Kopf herrschte Chaos. Als erster Gedanke kam mir: Alles gekauft! Und es folgten die Fragen: Wen kann ich vertrauen, was ist nun die Wahrheit? Wie kann ich mich weiter verhalten? Mein innerlicher kultureller Konflikt änderte meine Einstellung zu einen ganzen Volk und mich.

Das war der Anlass mich intensiver mit verschiedenen Verhaltensweisen in anderen Kulturen zu befassen und dementsprechend zu recherchieren, zu erforschen und zu analysieren. Und es war genau der Punkt an dem ich eine wichtige Entscheidung traf, die mich selbst veränderte: Die Ausbildung zum Interkulturellen Trainer und Coach.
Aus dieser Begebenheit im tiefsten Russland stammen
meine vier persönlichen Grundsätze:

1. Ich behandle alle Menschen gleich.
2. Meinen Gegenüber schenke ich mein Vertrauen.
3. Ich trage die unterschiedliche  Fakten  zusammen.
4. Ich bilde mir meine eigene Meinung


Diese Grundsätze bestimmen seit dem mein Business und erleichtern es mir, mit  großen und kleinen Kulturunterschieden umzugehen. Dieses Wissen und die Erfahrungen bringe ich in meine Vorträge, Seminare, Workshops und kulturelle Arbeit ein.

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