Auf der kilometerweiten
holprigen Rückfahrt von einer typisch russischen Schaschlikparty mit viel Wodka
saßen wir zu Viert in einem kleinen russischen Auto. Der 30jährige Russe Igor,
die blonde langhaarige schöne Russin Elena, Tamara eine muslimische
Kasachin mit Kopftuch und ich. Die Kasachin war am Steuer.
Auf meine Frage: Was
bedeutet dieses Schild an der Frontscheibe? entwickelte sich folgender Dialog:
Tamara antwortet kurz und bündig: „TÜV”.
Igor kommentiert: Glaubst du, dass diese alte Kutsche den
Sicherheitscheck übersteht?
Ich: „Net“ und frage: Wie kommt man zu so einen Schein?
Elena: Gekauft.
Ich: Du meinst zuerst die Kfz-Untersuchung und danach bezahlt.
Egor: Net, gekauft. Du kannst alles in Russland mit Geld kaufen.
Ich: Ja und was?
Egor: Natürlich eine Fahrerlaubnis. Brauchst du einen Doktortitel?
Kann ich dir in den diversen U-Bahngängen besorgen. Kostet drei Tausend Dollars
für den einfachen Nachweis. Einen Abschluss mit allen Papieren kosten fünf
Tausend Dollars mehr. Strafzettel oder andere Vergehen können ebenso mit
Geld in den Papierkorb landen.
Danach wurde es still.
Die unendliche Fahrt über steinige Feldwege versetzte mein Gehirn in Schwung. Endlich fand ich die
Begründung, warum in Jekatarinenburg von wirklich sehr vielen Autofahrern die
Vorfahrt nicht beachtet wird und eine rücksichtslose Fahrweise vorherrscht.
Hmm, die haben alle die Fahrerlaubnis gekauft.
Und dann kam der
nächste Morgen. Eine Besprechung in der regionalen Verwaltung mit über 20
Personen. Ich war als Kurzzeitexpertin für Vernetzung verschiedener kultureller
Minderheiten im Swerdlosker Gebiet eingesetzt. Jeder stellte sich kurz vor: Dr.
Akadi, Dr. Dr. Petrowitsch, Prof. Dr. Alexandroswki und die akademischen Titel saßen
aneinander gereiht im dunkelroten Besprechungssaal.
In meinem Kopf
herrschte Chaos. Als erster Gedanke kam mir: Alles gekauft! Und es folgten die
Fragen: Wen kann ich vertrauen, was ist nun die Wahrheit? Wie kann ich mich
weiter verhalten? Mein innerlicher kultureller Konflikt änderte meine
Einstellung zu einen ganzen Volk und mich.
Das war der Anlass mich
intensiver mit verschiedenen Verhaltensweisen in anderen Kulturen zu befassen
und dementsprechend zu recherchieren, zu erforschen und zu analysieren. Und es
war genau der Punkt an dem ich eine wichtige Entscheidung traf, die mich selbst
veränderte: Die Ausbildung zum Interkulturellen Trainer und Coach.
Aus dieser Begebenheit
im tiefsten Russland stammen
meine vier persönlichen
Grundsätze:
1. Ich behandle alle Menschen gleich.
2. Meinen Gegenüber schenke ich mein Vertrauen.
3. Ich trage die unterschiedliche
Fakten zusammen.
4. Ich bilde mir meine eigene Meinung
Diese Grundsätze bestimmen seit dem mein
Business und erleichtern es mir, mit großen und kleinen
Kulturunterschieden umzugehen. Dieses Wissen und die Erfahrungen bringe ich in
meine Vorträge, Seminare, Workshops und kulturelle Arbeit ein.
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