Eines Tages machte ich eine neue Bekanntschaft mit einem wichtigen Wort. Damals war mir nicht klar, welches unermessliche Gewicht davon ausgeht. Zuvor hatte
ich nie davon gehört, nichts davon gelesen.
Ethnozentrismus
Ich hatte keine Ahnung, wie es hinter der Wortkulisse ausschaut.
Doch schnell war mir klar, ich fand einen überzeugenden Schlüssel, der interkulturelle Türen öffnen kann. Vorsichtig tastete ich mich
heran, wie eine lauernde Katze, die eine Maus entdeckte und sie nur noch fangen
musste.
Nun begann ich zu stöbern, zu recherchieren und zu
hinterfragen.
alles "normal"?-genau hinschauen |
So entdeckte ich den Soziologen William Graham Sumner, der in seinem Buch Folkways (1906) „Ethnozentrismus“ so definierte:
”Ethnozentrismus ist der Fachausdruck für jene Sicht
der Dinge, in welcher die eigene Gruppe der Mittelpunkt von Allem ist und alle
anderen mit Bezug darauf bemessen und bewertet werden.”
Wie eben Definitionen so sind,
kann man erst mal wenig damit anfangen. Also beginnen wir langsam.
Ethno kommt von Ethnologie und versteht
sich als Völkerkunde. Hier werden
die Kulturen
erforscht und weltweit verglichen. Zentrismus
bedeutet im Mittelpunkt stehen oder sein.
Schnell konnte ich nun den
Zusammenhang verstehen. Der unschätzbare Wert hinter dem Eingang wurde mir schnell bewusst. Wenn meine Kultur im Zentrum steht, ist das
Ethnozentrismus und bedeutet
im Kleinen
- Meine kleine Lebenswelt, der Tagesablauf, die Urlaubsgestaltung, meine Arbeitswelt, meine Freunde oder Dinge, die mir wichtig sind.
- Mein bisheriges Leben, also wie ich aufgewachsen und erzogen wurde, mit welchen Werten und Normen mich meine Eltern ausgestattet haben, wie Pünktlichkeit, Ordnung und nicht Lügen.
- Welche Erfahrungen ich bisher gesammelt habe.
- Die Traditionen in meiner Familie beispielsweise wie Geburtstage gefeiert werden, die Art Hochzeitstage zu begehen, Familientreffen oder Trauerfeiern etc.
im Großen:
1. Die Gesetze und Regeln an die wir uns halten müssen.
2. Den Hauptglauben oder
Religion, den die Mehrzahl der
Menschen nachgeht.
3. Die Regionen in denen wir leben.
4. Die Feiertage und Feste,
die in unserem Kalender stehen wie Ostern, Weihnachten, Tag der Einheit oder
Namenstag.
...
Ethnozentrismus bedeutet auf sich
selbst gerichtet zu sein.
Alles, was du denkst und tust, ist
richtig und normal. Wie du denkst und handelst trifft auf alle Anderen auch zu.
Von diesem Blickpunkt her beurteilst du, alles was du siehst und erlebst.
Diese „Denke“ kannst du voll
vergessen, sie ist einfach ungeeignet im interkulturellen Leben. Türen werden
verschlossen bleiben und du hast nie die Chance dahinter zu schauen.
„Warum benehmen die sich nicht wie „normale“ Menschen?“
Doch was ist „normal“?
Jeder Mensch hält seine Kultur für das
Normale, oft sogar für das Bessere und nutzt sie als Maßstab bei der
Beurteilung von Menschen anderer Kulturen.
Wie komisch muss es einem Chinesen vorkommen, wenn ein Deutscher
das köstlich zubereitete chinesische Essen geräuschlos zu sich nimmt? Schmeckt
es ihm nicht, ist er unzufrieden? Nicht das verbale Kompliment, sondern das
Schmatzen bedeutet in China ein besonderes Kompliment für die Kochkünste des
Koches.
Stoßen Eigenes und Fremdes aufeinander, bemüht sich Jeder
zunächst um den Nachweis seiner „Richtigkeit“.
Es gibt kein „ordentliches“ Frühstück in Frankreich.
Was ist nun ein „richtiges“ Frühstück?
Der soll ich sich erst mal „anständig“ entschuldigen.
Wie entschuldigt man sich „richtig“?
Sind es die Brötchen, Butter und Marmelade; das Stück
Kuchen; die Misosuppe oder Kartoffelbrei und Wurst?
Entschuldige ich mich nun persönlich, per sms, am Telefon,
sende ich einen Brief oder etwa bei einem Abendessen. All das scheint zunächst
individuell, doch beim näheren Betrachten zeigt es, dass Menschengruppen
ähnliches tun.
Genau dieses Urteil oder Verhalten zeigt, wie schnell wir
aus unseren eigenen Leben das Verhalten der anderen kulturfremder Menschen
beurteilen.
Wenn die eigenen Werte den Fremden gegenüber als überlegen
betrachtet werden, zeigt das ein ethnozentristisches Verhalten. Schnell werden Ungleichheit, Differenz oder
Unterschied sichtbar.
Zunächst müssen wir uns dessen bewusst sein, denn ohne diese
Einsicht werden wir nicht viel bewegen.
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